Die intuitive Freiarbeit Präsent werden, fokussieren, Energie nutzen
Flori jauchzt vor Freude
Heute mache ich zum ersten Mal Freiarbeit mit Flori. Flori ist ein Shetlandpony aus familiärem Herdenverband. Ich lasse ihn laufen und er untersucht den Hallenboden, wälzt sich, spaziert gemächlich durch die Halle. Als er stehenbleibt gehe ich auf ihn zu und zeige mit meiner Gerte auf sein Hinterteil. Er bewegt sich, ich gehe mit. Ich laufe rückwärts, er kommt freudig auf mich zu.
Flori hat Lust sich mit mir zu bewegen, also drehe ich mich von ihm weg und renne los. Ich muss mich nicht umdrehen um zu wissen, dass er im wilden Galopp hinter mir her düst. Als er mich eingeholt hat, traben wir locker nebeneinander her. Ich baue zwei Hütchen mitten in der Halle nebeneinander auf, ein schmaler Durchgang, dahinter einen kleinen Sprung. Wir bewegen uns wieder, ich zeige zu den Hütchen, er läuft hindurch und springt. Ich habe das Gefühl ihn vor Freude jauchzen zu hören und wir drehen noch ein paar Runden.
So kannst du in die intuitive Freiarbeit starten:
- Mach dein Pferd in einer sicheren Umgebung frei und beobachte, wie es reagiert. Bewerte hier nicht was es tut sondern beobachte einfach. Lass den Bedürfnissen deines Pferdes kurz Raum bevor du damit beginnst, Ansprüche zu stellen.
- Jetzt werde präsent in deinem Körper. Konzentriere dich auf dein Pferd und hab ein klares Ziel vor Augen – fokussiere dich.
- Stelle dir dein Ziel so deutlich wie möglich vor, als würde dein Pferd bereits tun was du von ihm möchtest.
- Stelle nun deine Forderung so klein wie möglich an dein Pferd. Du möchtest Bewegung? Frage nach einem Schritt und freu dich über die Reaktion.
- Sei intuitiv: Worauf hast du Lust? Probiere einfach mal aus dich zu bewegen und dein Pferd mit einzubeziehen. Vielleicht möchtet ihr heute aber auch lieber zusammen entspannen. Was immer es ist, folge deiner Intuition.
- Fühle in dich hinein und versuche nur Dinge zu tun die sich gut und richtig anfühlen. Das Schöne ist: Hierbei geht es nicht um ein spezielles Training sondern um Spaß, Verbindung und Gefühl.
- Beende die Einheit, wenn es gerade am Schönsten ist.
Bedürfnissen Raum geben
Natürlich klappt nicht jede Freiarbeit gleich gut. Vor ein paar Wochen, als ich mit meiner Stute Freiarbeit machen wollte: Sie hat zunächst anderes im Sinn und läuft zum Rand des Platzes um unter dem Zaun nach Gras zu suchen. Verständlicher Wunsch. Die Wiesen sind schon jetzt, zu Beginn des Sommers derart trocken, dass dort nicht mehr viel zu holen ist. Ich warte ein wenig ab. Ich habe es mir zur Gewohnheit gemacht die Freiarbeit nicht mit Forderungen zu beginnen sondern damit zuzuhören.
Dadurch, dass ich nicht sofort eine Frage stelle oder zu etwas auffordere kann ich erkennen, welche Bedürfnisse mein Pferd heute hat. Sie wiederum kann diesen Bedürfnissen im Rahmen ihrer Möglichkeiten kurz nachgehen um dann viel lieber und besser mir zuzuhören, auf mich zu reagieren und mit mir in die Arbeit starten zu können.
Das erhöht die Motivation und nimmt den Druck heraus. Ich möchte schließlich kein Schoßhündchen, das schon zu Beginn der Freiarbeit neben mir steht und auf meine Signale wartet. Oder einen gut programmierten Roboter.
Manchmal wälzt sich mein Pferd zuerst, manchmal rennt sie los, dann stellt sie sich in ihre Aussichtsecke von der aus sie den besten Blick auf das Geschehen am Hof hat. Manchmal döst sie einfach. Heute möchte sie Gras fressen. Ich lasse sie kurz, dann mache ich mich bereit um anzufangen.
Was bedeutet das? Ich werde in meinem Körper präsent, schiebe die Gedanken zur Seite und komme im Moment an. Dann fokussiere ich mich: Ich überlege mir ein Ziel, in diesem Fall mein Pferd vom Gras weg zu bekommen. Jetzt kann ich starten.
Von der Präsenz in die Energie
Ich gehe los und fordere Frau Schmidt auf, vom Gras wegzugehen. Sie ignoriert mich. Ich gehe näher heran und berühre ihr Gesicht einmal kurz mit der Fingerspitze. Sie dreht den Kopf weg, ich lasse nach. Sie geht einen Schritt weiter und frisst wieder, ich berühre jetzt ihr Gesicht und ihre Schulter jeweils mit dem Zeigefinger. Frau Schmidt dreht ab und läuft zur kurzen Seite. Dort kommt sie auch ans Gras.
Daraufhin steigere ich meine innere Energie und stelle mir vor, dass der Hufschlag mir gehört. Ich erweitere gewissermaßen meinen Raum auf den kompletten Hufschlag und laufe außen herum. Durch die höhere Energie reicht es aus, dass ich näher komme. Dieses Spiel spielen wir noch ein weiteres Mal, dann bleibt sie in der Mitte stehen und schaut mich an. Wir haben die Sache geklärt ohne dass ich laut werden musste. Frau Schmidt geht in der übrigen Zeit nicht mehr ans Gras.
Nach ungefähr zwanzig Minuten beende ich die Einheit. Das mache ich meistens genau dann, wenn es gerade am schönsten ist. Dann, wenn wir mit einem besonders guten und zufriedenen Gefühl aufhören können und unsere Konzentration noch sehr hoch ist. Häufig beginnt sie nach den ersten zwanzig Minuten abzuflauen. Gerade in der Freiarbeit brauche ich aber meine volle Konzentration, genau wie die des Pferdes.
Freude und Verbindung sind das Ziel
Aus meiner Sicht ist die intuitive Freiarbeit die Krönung der Kommunikation mit deinem Pferd. Sie ist leicht, fein, klar und pferdefreundlich. Sie ist authentisch, weil es dabei nur um dich, um deine Persönlichkeit deine Präsenz, deinen Fokus und deine Energie geht sowie die deines Pferdes. Sie ist ein Dialog, bei dem das Zuhören ebenso wichtig ist wie das Aktivieren und sie macht glücklich, weil ihr die Dinge tut, die euch Freude bereiten.
Das wichtigste ist, nicht enttäuscht zu sein wenn etwas nicht so klappt wie du es dir vorgestellt hast. Nicht aufzugeben oder es persönlich zu nehmen, wenn dein Pferd zunächst lieber grasen möchte oder dir nicht seine Aufmerksamkeit schenkt. Es geht einfach seinen Bedürfnissen nach. Wenn wir aufhören Pferde zu vermenschlichen, ihnen besser zuhören und unsere Fragen immer so klein und leicht wie möglich stellen, erhöhen wir den Grad der Freude und des Erfolgs. Wenn wir anfangen unsere Intuition einzusetzen, dann ist Freiarbeit bindungsstärkend, entspannend und energetisierend.