Der lange Weg zum Pferd Oder: Sich für das Pferd gut anfühlen
Haltungsform Paddock-Trail
Meine Stute steht in einem Paddock Trail. Mir gefällt diese Haltung sehr. Ich glaube, dass es zur Zeit kaum Haltungsformen gibt, die artgerechter sind. Sie kann sich den ganzen Tag lang frei bewegen. Weil die Heuraufen über den gesamten Trail verteilt sind, ist sie sogar dazu gezwungen, sich zu bewegen. Das Wasser ist noch an einer anderen Stelle, die Liegehalle ebenfalls nicht in unmittelbarer Nähe der Heuraufen.
Sie kann also den ganzen Tag mit ihren Freundinnen abhängen (Lieblingsbeschäftigung), Fellpflege machen, fressen wenn sie lustig ist (zweite Lieblingsbeschäftigung) und sich in der Liegehalle vor Regen, Wind oder Sonne schützen. Der Trail ist ungefähr 600 Meter lang. Verschiedene Bodenuntergründe, eine Sandfläche und Baumstämme sind Teil des Konzepts. Kurzum: Die Pferde können ihren Tag ziemlich frei gestalten.
Mein Fußmarsch zum Pferd
Ich weiß nicht warum, aber wenn ich zum Stall komme, steht Frau Schmidt im Moment meistens am anderen Ende des Trails. Bis ich bei ihr angekommen bin, dauert es bestimmt 5 Minuten. Vor allem wenn ich durch den tiefen Sand laufe. Manchmal brauche ich auch länger, weil ich Pfützen umschiffen oder andere Pferde begrüßen möchte. Im Winter, wenn es dunkel und kalt ist, ich das Pferd kaum finde, dann ärgere ich mich manchmal über den weiten Weg. Oder wenn ich nur wenig Zeit habe, ärgere ich mich über die vertane Zeit, die ich zwar irgendwie beim Pferd bin, doch nicht mit dem Pferd verbringen kann.
Meistens allerdings freue ich mich über diesen kleinen Fußmarsch. Er gibt mir Zeit, um anzukommen. Bei mir. Um präsent, um innerlich ruhig zu werden und mich gut für das Pferd anzufühlen. Dann merke ich: Das hier ist keine vertane Zeit. Das hier gehört sogar mit zur wertvollsten Zeit beim Pferd. Weil es meine Zeit ist. Sie ist eine wichtige Voraussetzung, um an diesem Tag erfolgreich zu sein mit meinem Pferd.
Präsenz und Erfolg
Erfolgreich kann dabei auch bedeuten, dass ich einfach nur gefüttert habe. Dass ich nur spazieren gegangen bin oder geputzt habe. Erfolg heißt für mich nicht, dass ich sportlich, muskulär oder sonstwie Fortschritte erzielt habe. Erfolgreich fühle ich mich, wenn ich hinterher zufriedener bin als ich vorher war. Das gilt für uns beide – für mich und das Pferd.
Nur wenn du bei dir angekommen und nicht mehr in deinem Stress, in deinen Gedanken und Gefühlen des Tages gefangen bist, kannst du überhaupt erst präsent werden. Mehr zum Thema Präsenz findest du in meinem Artikel Pferdische Präsenz.
Deshalb ist es so hilfreich, mit einem Gefühl innerer Ruhe dein Pferd aus dem Stall zu holen. Sind wir nicht bereits Achtsamkeits-Profis schaffen wir das nicht von einer Sekunde auf die andere. Dann hilft es, dich noch vor dem ersten Kontakt mit deinem Pferd bewusst in diesen Zustand zu bringen.
Tipps, um bei dir anzukommen:
- Atmen, atmen atmen! Konzentriere dich auf deinen Atem. Atme länger aus als ein, denn das entspannt.
- Stelle dir deine Gedanken als kleine Päckchen vor, die an dir vorbeiziehen. Manche möchtest du vielleicht unbedingt öffnen, entscheide dich dann aber ganz bewusst, das Päckchen wieder zu verschließen und weiterziehen zu lassen.
- nimm deinen Körper wahr. Wirklich wahr. Gibt es Verspannungen, Schmerzen, Druck? Was fühlst du?
- Entspanne und lasse los. Und dann entspanne tiefer, lasse mehr los.
- Sprich deine Sinne an: nimm wahr was du siehst, fühlst, riechst, schmeckst und hörst.
- Spüre den Boden unter deinen Füßen. Erde dich.
Das kann ein paare Sekunden dauern oder auch ein paar Minuten. Es kann auch eine halbe Stunde brauchen oder länger. Das kommt ganz darauf an, wie viel Zeit du benötigst und dir dafür gibst. Du kannst nur eine dieser Ansätze verfolgen oder alle nacheinander. Auch das kommt ganz auf dich, auf deinen Tag, auf die äußere Ablenkung an. Ziel ist einfach nur, dass du dich gut fühlst – nur so fühlst du dich für dein Pferd gut an.