Corona und unsere Raumsprache Macht Corona uns sensibler für unsere Pferde?

Pferde und Raum: ein Riesenthema. Menschen und Raum: ebenfalls ein Riesenthema – seit Corona. Pferde legen sehr viel Wert auf die Blase ihres persönlichen Raums und respektieren die Individualdistanz zu anderen Pferden. Corona macht die Raumfrage zur gesellschaftlichen Priorität. Mach sie zu deiner mit dem Pferd.

Corona-Erkenntnis beim Einkaufen

Corona ist ätzend. Hinter mir liegt ein ziemlich anstrengender Tag. Mein Sohn scheint auch zu spüren, dass da etwas in der Luft liegt. Immerhin haben wir heute ein abwechslungsreiches Programm inklusive Knete selber machen und mit Ostereierfarbe färben auf die Beine gestellt. Trotzdem waren wir beide am Ende unzufrieden.

Das ist ein wirklich kleines Übel angesichts der vielen Menschen, denen es tatsächlich schlecht geht. Bei denen es ums Überleben geht. Will also sagen: Corona ist ätzend. Ach so, habe ich ja schon gesagt.

Ich war heute zwei Mal unter Menschen:

  1. einkaufen (Klopapier war leider schon wieder alle)
  2. am Stall.

Da ist mir aufgefallen, was das Virus Gutes mit sich bringt in Bezug auf unsere Pferdesprache: Wir achten auf einmal ganz bewusst auf unseren persönlichen Raum. Es kommt mir fast so vor, als könnte man die Blasen um die Menschen sehen. Alle bemühen sich, dass sich diese Blasen bloß nicht berühren. Ich finde das total erholsam.

Volle Wartezimmer und gute Konzerte

Mich stört es, wenn Menschen permanent in meinen persönlichen Raum hineinrennen. Es gibt Menschen, die einfach achtlos sind mit ihrem Raum. Menschen die ich mag, habe ich gerne auch mal näher. Aber ansonsten muss das nicht sein. Volle Einkaufsläden oder vollgestopfte öffentliche Verkehrsmittel sind mir ein Graus.

Ich mag nicht meinen Raum teilen, wenn ich mir das gar nicht ausgesucht habe. Oder gezwungen sein in den von anderen zu treten. Volle Wartezimmer – da ist es genauso. Anders empfinde ich es bei Konzerten, wenn alle auf einer Wellenlinie sind, weil alle die gleiche Musik gut finden. Dann kann sich Raumteilen als etwas richtig Schönes herausstellen.

Ich glaube, dass es vielen so geht. Nur, dass vielen nicht bewusst ist, aus welchem Grund sie sich gerade unwohl fühlen, mitten in der Menschenmasse. Dass es unseren Pferden so geht, da bin ich mir sogar ganz sicher. Ihnen ist die Raumfrage das entscheidende Thema um welches ihre Unterhaltungen kreisen. Begrüßen sie sich, wird zuerst die Raumfrage geklärt. Pferde, die mit der Individualdistanz von ihrem Menschen respektlos umgehen tun das, weil ihr Mensch das genau so tut. Pferde können sich nur wundern, wie wenig bewusst uns Menschen dieses Thema ist.

Pferde und Raum

Wenn wir aber anfangen, uns unserem Raum bewusst zu werden, dann passiert etwas Spannendes: Wir sind auf einmal viel klarer in unserer Körpersprache.

Wir werden plötzlich viel respektvoller und souveräner. Vorausschauender. Und feiner.

Nochmal zurück zu meinem Einkaufserlebnis: Ich musste schauen, wohin die Menschen um mich herum als nächstes wollten um abzuschätzen, ob sich unsere Blasen berühren werden. Ich bin auf dem Weg zu den Einkaufswagen stehengeblieben, weil ich gesehen habe, dass eine ältere Dame vor mir dort sein würde.

Das machen die Pferde übrigens den ganzen Tag. Und wenn wir anfangen den persönlichen Raum (zumindest mit unseren Pferden) auch zu beachten, werden wir in ihrem Ansehen und ihrem Respekt aufsteigen. Ich zeige meinem Pferd damit: Ich kennen mich aus mit diesem Thema, das dir so wichtig ist. Ich respektiere deinen Raum. Respektiere du meinen. Du kannst dich bei mir ganz sicher fühlen.

Und wenn wir beide Lust haben, dann trete ich in deinen Raum hinein und wir verbringen eine schöne Zeit, in der wir Raum teilen. In der wir ganz auf einer Wellenlinie sind. Dann hören wir beide den gleichen Song.

Übung: Mach dir deinen Raum bewusst

Wenn du das nächste Mal zu deinem Pferd gehst, stell dir deine persönliche Blase, deinen Raum, einfach mal bildlich vor. Gib ihm eine Form und vielleicht sogar eine eigene Farbe. Jetzt nimm den deines Pferdes wahr. Kannst du erkennen, wann du seinen Raum betrittst? Den meisten Pferden ist es angenehmer, wenn wir nicht geradewegs auf ihren Raum zulaufen, sondern zwischendurch innehalten, den Blick senken, uns entspannen.

Tritt mit einem ruhigen, angenehmen und präsenten Gefühl in den Raum deines Pferdes. Erlaube deinem Pferd zugleich nicht, ungefragt deinen Raum zu betreten. Bleib hier konsequent. Das wird dein Pferd sofort verstehen. Wahrscheinlich wird es sogar erleichtert sein. Ganz nach dem Motto: „Aha, endlich fällt es ihr auf!“