6 Aspekte der präsenten Pferdekommunikation Präsenter werden am Pferd und im Alltag

Präsenz hat viele verschiedene Bedeutungen und kann auf ganz unterschiedliche Arten trainiert werden. Ich stelle dir hier 6 Aspekte der präsenten Pferdekommunikation vor: 1. Innere, körperliche und äußere Präsenz, 2. Fokus, 3. Auge und Blick, 4. Atem, 5. Raumsprache, 6. Vorstellungskraft. Warum du dafür lieber prozess- statt ergebnisorientiert vorgehen solltest, wo wichtige Unterschiede zum Horsemanship liegen und wieso du dadurch vor allem präsenter und bewusster mit dir selbst wirst, darum geht es in diesem Artikel.

Pferde spüren wie präsent ihr Gegenüber ist

Daher wählen sie als Leittier automatisch dasjenige mit der stärksten Präsenz.

Wer präsent ist, nimmt schneller Gefahren wahr.
Wer präsent ist, kann schneller reagieren.
Wer präsent ist, hat eine selbstbewusstere Ausstrahlung.
Wer präsent ist, dem wird zugehört.

Die präsente Pferdekommunikation ist angelehnt daran wie Pferde sich untereinander verständigen. Zugleich bezieht sie immer deine eigene Persönlichkeit mit ein. Es geht dabei nicht um konditionierte Abläufe. Vielmehr besteht das Ziel darin, eine positive Basis für eine offene, authentische Kommunikation und tiefe Verbindung sowie Vertrauen und Sicherheit zu finden.

Ich habe die präsente Pferdekommunikation in 6 verschiedene Aspekte unterteilt:

  1. Innere, körperliche und äußere Präsenz
  2. Fokus
  3. Auge und Blick
  4. Atem
  5. Raumsprache
  6. Vorstellungskraft

Damit möchte ich keinen Anspruch auf Vollständigkeit stellen, sondern einfach einen Einstieg in eine neue Herangehensweise bieten. Auch so ist das schon eine Menge – wie soll ich auf alles gleichzeitig achten, sagst du? Leider können die einzelnen Aspekte in der Praxis nicht separat für sich betrachtet werden, weil sie meistens nur im Zusammenspiel funktionieren. Schließlich kann ich nicht zum Pferd gehen und auf einmal nur noch auf meine Blicke achten und den Rest der Körpersprache außen vor lassen. Genauso wenig kann ich von Anfang an auf alles gleichzeitig achten. Es ist ein bisschen als wollte ich Autofahren üben und mich erstmal nur aufs Schalten konzentrieren, ohne Gas, Bremse und Kupplung zu bedienen oder die Verkehrsregeln zu beachten.

Weil das aber die Sache so kompliziert macht, habe ich die sie unterteilt und Übungen entwickelt, mit denen du zunächst ohne Pferd genau diese einzelnen Aspekte trainieren kannst. Wenn du Interesse an dieser Art der Arbeit hast, lass uns gerne in Kontakt kommen.

Die schlechte Nachricht: Die Erfolge bei dieser Art der Kommunikation sind nicht linear und auch nicht absehbar. Wer lediglich am Ergebnis orientiert ist, wird hier schnell enttäuscht. Hilfreich ist eine Haltung, die prozessorientiert ist, ganz nach dem Motto: Auf dem Weg zum Ziel Spaß haben und viel über sich selbst lernen.

Der Unterschied zum Horsemanship

Hier liegt wie ich finde ein sehr wichtiger Unterschied zum herkömmlichen Horsemanship, das auf Konditionierung beruht. Das Tolle an Horsemanship ist: es funktioniert zumeist super schnell. Du wackelst zum Beispiel mit dem Finger und schlackerst daraufhin mit dem Führseil bis dein Pferd rückwärts geht. Hast du das drei mal gemacht, wird dein Pferd ziemlich sicher schon auf das Fingerwackeln hin rückwärts weichen. Du setzt dir ein Ziel, etwas das du mit deinem Pferd erreichen möchtest (in diesem Fall: zügiges Rückwärtsgehen auf Fingerwackeln) und nach ein paar Übungen hast du dieses Ziel häufig schon erreicht. Das fühlt sich gut an.

Wenn wir diesen vorgegeben Weg der Konditionierung verlassen und neue Pfade betreten auf denen es um authentische Kommunikation, echte Antworten, innere Energie, Präsenz und intuitive Impulse geht, dann sind die Erfolge überhaupt nicht mehr vorhersehbar.

Vorab – was mir wichtig ist bei der präsenten Pferdekommunikation:

  • Das Pferd darf sich pferdisch ausdrücken. Das heißt, es darf sich frei äußern und die Antwort ist solange sie nicht gewaltvoll ist okay. Ich bewerte diese Antwort nicht als gut oder schlecht, sondern nehme sie wahr mit der Haltung: „spannend, dass du darauf so reagierst. Jetzt habe ich wieder etwas über dich gelernt“.
  • Ich bemühe mich, die Sprache des Pferdes zu verstehen und dem Pferd möglichst verständlich, also möglichst pferdisch, meine Sichtweise, Bitten und Forderungen zu vermitteln.
  • Ich bewerte mich selbst genauso wenig wie ich das Pferd bewerte. Das was an Gefühlen hochkommt ist okay, ganz gleich was es ist. Auch hier suche ich nicht den Fehler, sondern entdecke was ich daraus für mich lernen und wie ich damit umgehen kann.

Zu den 6 Aspekten

  1. Innere, körperliche und äußere Präsenz

Wenn wir uns mit der präsenten Pferdekommunikation befassen liegt die Frage nahe, was Präsenz genau bedeutet. Vor allem weil sie so viele verschiedene Bedeutungen haben kann von körperlicher Anwesenheit über konzentrierte Aufmerksamkeit bis hin zu Ausstrahlung. Für mich ist es eine Mischung aus allen dreien und doch ist sie noch ein bisschen mehr. Sie ist auf der einen Seite das im Moment-Sein, ohne sich gedanklich oder emotional davontragen zu lassen, sie bedeutet mit mir selbst verbunden zu sein (innere Präsenz). Nicht nur mit meinen Gedanken und Gefühlen sondern auch mit meinem Körper und Atem verbunden zu sein beinhaltet die körperliche Präsenz. Im Gegensatz dazu bedeutet die äußere Präsenz, dass ich mir meines persönlichen Raumes sowie der nahen und weiten Umgebung bewusst bin. Ich nehme die vorherrschende Stimmung wahr und bin mit allen meinen Sinnen so aufmerksam, dass ich blitzschnell auf Impulse von außen reagieren kann. Es tut gut wenn du bevor du dein Pferd holst versuchst in die Präsenz zu kommen: Nimm deine Gedanken und Gefühle, deinen Körper und Atem sowie deine Umgebung wahr. Versuche im Moment anzukommen. Eine gute Möglichkeit um das zu erreichen ist auch ein kurzes Warm Up.

  1. Fokus

Fokus bedeutet, dass du dich auf eine bestimmte Sache konzentrierst. Erst wenn du dich auf etwas fokussierst, kann deine Energie anfangen zu fließen. Bist du selbst nicht klar in dem was du möchtest oder noch abgelenkt durch deine Gedanken oder Einflüsse von Außen, dann ist deine Energie verstreut. Dein Pferd kann das spüren und reagiert dementsprechend darauf. Eine Voraussetzung wenn du dein Pferd um etwas bitten möchtest ist, dass du es mit Fokus tust. Nicht nur mit deinen Blicken kannst du deinen Fokus äußerlich steuern, vor allem dein Becken ist eine gute Fokussierungsanzeige. Nutze dein Becken um deinem Pferd deinen Fokus zu erklären und achte auch darauf wie dein Becken ausgerichtet ist wenn du gerade gar nichts vom Pferd möchtest.

  1. Auge und Blick

Mit den Augen kannst du dein Pferd führen , zu dir holen, anhalten und schneller machen. Du kannst ein hartes oder ein weiches Auge einsetzen, stärker fokussieren oder den peripheren Blick aktivieren. Auch das Blinzeln hat schon große Aussagekraft. Achte einmal darauf: Wann blinzelt dein Pferd? Blinzelt es zurück wenn du ihm zuzwinkerst? Fokus und Blick hängen darüber hinaus eng zusammen. Was sagt dein Blick über deinen Fokus aus? Kannst du deinen Fokus über deinen Blick steuern bzw. verstärken?

  1. Atem

Der Atem sagt viel darüber aus, wie es dir gerade geht. Er holt dich sofort in den Moment, verbindet dich mit dir selbst und mit deiner Seele. Pferde kommunizieren über den Atem, nutzen ihn vor allem um Angst oder Entspannung zu signalisieren. Pferden Sicherheit geben, sich mit ihnen verbinden, Verständnis ausdrücken oder auch in die Führung gehen – all dies kann der Atem. Gemeinsam mit Pferden tief in den Bauch zu atmen ist eine unheimlich schöne Erfahrung.

  1. Raumsprache

Raum ist die wichtigste Diskussionsgrundlage der Pferde. Sich seinen eigenen Raum bewusst zu machen hilft um am Pferd besser wahrgenommen und respektiert zu werden sowie sich sicherer zu fühlen. Die Pferde können sich besser in deiner Gegenwart entspannen und dir besser vertrauen wenn du gut auf deinen Raum achtest. Ein Verständnis der Raumsprache hilft dir dabei, den eigenen Raum und den des Pferdes bewusst wahrzunehmen. Jetzt kannst du dich entscheiden ob du dein Pferd in deinen Raum einladen möchtest oder nicht. Die eigenen Wege bewusst zu planen und die eigenen Absichten deutlich zu machen gehört ebenso zur Raumsprache.

  1. Vorstellungskraft

Jeder Pferdemensch kennt das: Ich denke an Trab und das Pferd trabt an wie von Zauberhand. Das können Pferde, weil sie sich so gut in uns hineinfühlen und unsere Körpersprache die unsere Gedanken widerspiegelt so gut lesen können. Aber auch weil sie wenn wir mit Vorstellungskraft arbeiten, nicht nur fühlen sondern auch sehen können was wir uns vorstellen, da sie selbst in Bildern denken. Das ist ein bisschen verrückt. Aber es lässt sich wundervoll einsetzen für eine präsentere Kommunikation am Pferd. Zudem gehen Vorstellungskraft und Fokus Hand in Hand. Hier schließt sich der Kreis, denn wenn du deine Vorstellungskraft einsetzt bist du automatisch fokussiert – und präsenter.

Präsenter werden im Alltag

Es ist egal ob du präsenter werden möchtest um besser mit Pferden zu kommunizieren oder mit Pferden kommunizierst um deine Präsenz zu stärken. Du wirst beides gleichzeitig tun. Wenn du an den einzelnen Aspekten arbeitest, wirst du gar nicht darum herumkommen auch im Alltag häufiger den eigenen Fokus zu prüfen oder deine Vorstellungskraft einzusetzen. Du achtest auf einmal auf deinen eigenen Raum, nimmst häufiger deinen Atem wahr, beobachtest die eigenen Blicke sowie die anderer Menschen intensiver.

Was auch immer das Ziel deiner Pferdekommunikation sein soll – in jedem Fall wirst du an dir eine entscheidende Veränderung feststellen hin zu mehr Bewusstheit. Auf dem Weg zu mehr Präsenz wirst du spüren, dass du bewusster mit Pferden, dir selbst und anderen wirst. Das alleine ist doch schon ein schönes Ergebnis.